Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten. Wenn Sie auf der Seite weitersurfen, stimmen Sie der Cookie-Nutzung zu.
GGK - Buchvernissage 7. März 2019

Ein anderer Blick auf die Geschichte des Kantons


Ein neues Buch beleuchtet ein Stück unbekannte Geschichte von St. Gallen. Eine Geschichte der St. Galler Gegenwart – Sozialhistorische Einblicke ins 19. und 20. Jahrhundert beleuchtet die Gesellschaft eher von unten – eine Perspektive, die andere Themen ins Zentrum rückt als gewohnt. Ein Projekt der Gemeinnützigen Gesellschaft des Kantons St. Gallen aus Anlass ihres 200-jährigen Bestehens.


Die Gemeinnützige Gesellschaft St. Gallen (GGKSG) schenkt der St. Galler Bevölkerung ein besonders Buch. „Eine Geschichte der St. Galler Gegenwart – Sozialhistorische Einblicke ins 19. und 20. Jahrhundert“ beschäftigt sich in zehn Themen mit einer Epoche, welche die Gemeinnützigen seit 1819 in den Bereichen Gesundheit, Erziehung, Bildung und Volkswirtschaft selbst mitgeprägt hatten. „Wir haben den Behörden nicht nur Ratschläge erteilt, sondern auch wichtige soziale Institutionen initialisiert, etwa das «Irrenhaus» St.Pirminsberg oder die Taubstummenschule, oder solche gegründet und betrieben, wie die «Besserungsanstalt» Platanenhof oder das Erziehungsheim Heim Oberfeld. Viele andere Institutionen wurden grosszügig unterstützt, z.B. das Frauenhaus, Invalida etc», erklärte Hubertus Schmid, Präsident der GGKSG. Zehn junge Historikerinnen und Historiker bekamen den Auftrag, sich mit gesellschaftlich bedeutsamen Themenfelder der letzten 200 Jahren zu beschäftigen, die auch die GGK umtrieb. Hubertus Schmid betonte: „Wir haben uns bis heute zu keinem Zeitpunkt in die Arbeit eingemischt. Die Historikerinnen und Historiker waren in der Themenauswahl und ihrer Arbeit völlig frei.“ Dank der grosszügigen Hilfe einiger Stiftungen und der Beteiligung der Pädagogischen Hochschule St. Gallen am Projekt wird es nicht bei diesem Buch bleiben, obwohl es jede Schule und jede Bibliothek im Kanton St. Gallen kostenlos erhält. Ab Herbst werden im Verlaufe der nächsten drei Jahre auch digital verfügbare Arbeitsmodule zu den einzelnen, von Dozierenden mit den Studierenden der PHSG didaktisch aufgearbeiteten Texte der Historiker den Lehrpersonen im Kanton und der Öffentlichkeit frei zugänglich sein. .


Von der Armut bis zur Stromproduktion


Die Autorinnen und Autoren verständigten sich auf die Bearbeitung zehn Themenfelder. Natürlich haftet einer solchen Auswahl eine gewisse Willkür an. Aber auch die Kapitel über Medizin, Arbeitsmigranten, Wohnsituation, Elektrizität aus dem Sittertobel, sittlich gefährdete Mädchen, Armut in der Stadt St. Gallen, Heimarbeit, die Versuche des verkehrsmässigen Anschlusses des Kantons an den Rest der Schweiz und die Drogenpolitik sind spannend, leserlich verfasst, ohne die historische Sorgfalt vermissen zu lassen. Sie decken Themen ab, die für die Entwicklung St. Gallens bedeutend waren. Vielleicht lässt sich gerade an unauffälliger Themen wie „Am Rand der Erwerbstätigkeit“ von Rezia Krauer über die Heimarbeit von Männern in den 1940er Jahren beispielhaft erklären, wie bescheiden, ja armselig die Mehrheit bis in die Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs im Kanton lebte. Zum gleichen Thema passt auch das Kapitel „Armut in der Stadt St. Gallen“ von Oliver Schneider, das auch der Wechsel von der Heimat- zur Wohnort-Verantwortlichkeit beinhaltet. Denn der Kanton schleppte mittelalterliche Gemeindestrukturen ins 19. Jahrhundert hinein. Nach dem Ortsbürgerprinzip ist jene Gemeinde für jemanden verantwortlich, in der er oder sie geboren wurde und die Familie lebte. Das führte dazu, dass Städte und Dörfer jene Hilfsbedürftigen auswiesen, die nicht vom Wohnort stammten. Es sind Themenbeispiele über die es keine üppigen Quellen gibt, denn frühere Geschichtsschreiber widmeten sich kaum dem Leben der Armen. Umso wertvoller ist es, jetzt mehr über weniger privilegierten Vorfahren zu erfahren. Spannend sind auch jene Kapitel, die sich mit der Modernisierung beschäftigen, etwa der Medizin, der Elektrizität und die Infrastruktur. Dort löst Stefan Sandmeier den historischen Hintergrund eines beliebten Ostschweizerischen Mantras, nämlich jenes der Vernachlässigung durch Bern und den Bund. Es stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, als sich in der Schweiz der Kampf um Eisenbahnlinien und Verkehrsknotenpunkte tobte und St. Gallen das Gefühl bekam, zur kurz zu kommen. Das sehr lesenswerte, von Manuel Kaiser herausgegebene Buch ist übersichtlich gestaltet. Es ist in der Verlagsgenossenschaft St. Gallen erschienen und ab sofort im Buchhandel erhältlich.

Galerie